Hl. Bischof Ludwig von Toulouse,
Fresko aus 1460 von Piero della Francesca

 

 

 

 
















 

Lange Nacht der Kirchen 2012
in der Minoritenkirche



Die Wiener Minoritenkirche - Ein Ort der Erinnerung
an die frühe franziskanische Heiligkeit



Hl. Bischof Ludwig von Toulouse - Meditation

für die "Lange Nacht der Kirchen" am 01. Juni 2012

verfaßt von Dr. Manfred Zips



Rollen:
Erster Erzähler  (Dr. Manfred Zips),
Zweiter Erzähler  (Mag. Giacomo Borioni),
Rezitator 
(Christiane Zips),
Bonifaz VIII. 
(Bernhard Griessner),
Karl II.
(DI. Maximilian Apfelbaum)
Ludwig v. Toulouse 
(Pater Wojciech Szczepanski OFM)

Gesang:
Chor Antonio Salieri
der Italienischen Kongregation

Musik:
Giovanni Pierluigi da Palestrina (1515-1594): "Sicut cervus"
 

1. ERZÄHLER: Wenn man seine Schritte von der verkehrsreichen und von hektischem Treiben geprägten Ringstraße durch das Äußere Burgtor und weiter über den Heldenplatz und den Ballhausplatz zum Minoritenplatz lenkt, durchschreitet man nicht nur mehrere Epochen der Wiener Stadtgeschichte, welche von der Moderne über die Ära Franz-Josephs, Maria Theresias und Leopolds I. bis in das hohe Mittelalter zurückführen, man gelangt auch aus dem lärmdurchfluteten Trubel des heutigen Alltags zu einem der ruhigsten und beschaulichsten Plätze der Stadt. Hier steht nun jener uns heute vielleicht etwas fremd anmutende blockförmige Bettelordensbau mit seinem gekappten „Campanile“, die „Kirche mit dem abgeschossenen Turm“ wie die Minoritenkirche im bis heute lebendigen Geschichtsbewusstsein der Wiener genannt wird. Dass dieses Wissen bei den Bewohnern der Stadt bis in die Zeit der Türkenkriege zurückreicht, dafür legt unser Gotteshaus ein beredtes Zeugnis ab.

2. ERZÄHLER: Die Minoritenchronik des 18. Jahrhunderts erzählt, dass die Franziskaner bereits im Jahre 1224 – also noch zu Lebzeiten des Franziskus von Assisi – auf die Bitte des Babenbergerherzogs Leopold des Glorreichen, nach Wien gekommen seien. Wenn die Minderbrüder auch erst zehn Jahre später in Wien nachweisbar sind, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass jener für Österreich so bedeutende Babenberger, welcher 1230 verstarb, die Franziskaner ins Land gerufen hat. Aber das Jahr 1224 hat aus minoritischer Sicht seine ganz besondere Bedeutung: Im September dieses Jahres – so berichtet die Überlieferung – hatte der Heilige von Assisi auf dem Berg La Verna nahe Arezzo die berühmte Vision des gekreuzigten seraphischen Christus, der ihm die Stigmata des Erlösers einprägte. Wenn also die Brüder des Franziskus in eben jenem Jahr nach Wien gekommen sein sollen, als dem Gründer ihrer Gemeinschaft die Christusähnlichkeit göttlicherseits bestätigt wurde, dann kommt der Wiener Minoritenkirche als Zeugen für dieses wunderbare Geschehen ganz besondere Bedeutung zu. Und tatsächlich, wenn wir uns dem Gotteshaus vom Westen her nähern und auf die 54 Meter hohe Fassade mit ihrer majestätischen spätgotischen Dreierportalgruppe zugehen, sehen wir über dem rechten – wahrscheinlich seit 1513 zugemauerten – Seitenportal die in Stein gehauene Darstellung des Geschehens von La Verna, wie sie Thomas von Celano, der erste Biograph des Heiligen, beschrieben hat:
 

Meditationen:

  Antonius von Padua (2009)
 
Giordano da Giano (2009)
 
Jacopone von Todi (2009)
 
Franziskus (2010)
 
Coelestin V. (2011)
 
Westportal (2011)
 
Ludwig von Toulouse (2012)
 
Heilige der Kongregation (2013)
 
Heilige Cäcilie (2014)
 
790 Jahre Minoriten (2014)
  230 Jahre Maria Schnee (2014)
  Klemens M. Hofbauer (2014)
 
Katharinenkapelle (2015)
  390 Jahre It. Kongregation (2015)
 
Frauen im Banne der Minoritenkirche (2016)
 
Eine Liebeserklärung in Stein (2016)
   Franziskus v. Assisi (2018)


 L.N.K. in der Minoritenkirche

 

 


 

 




 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Lesung: Zips, Borioni

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

1. ERZÄHLER: Zwei Jahre bevor Franziskus seine Seele dem Himmel zurückgab, weilte er in einer Einsiedelei, die nach dem Ort, wo sie gelegen ist, La Verna heißt. Da sah er in einem Gottesgesicht einen Mann über sich schweben, einem Seraph ähnlich, der sechs Flügel hatte und mit ausgespannten Händen und aneinandergelegten Füßen ans Kreuz geheftet war … Während sich der selige Diener des Allerhöchsten mit dem Verstande über das Gesicht nicht klar zu werden vermochte, … begannen an seinen Händen und Füßen die Male der Nägel sichtbar zu werden in derselben Weise, wie er es kurz zuvor an dem gekreuzigten Mann über sich gesehen hatte.

2. ERZÄHLER: Wenn wir nun die Kirche betreten und die linke Säulenreihe entlanggehen, so begegnet uns Franziskus auf der Höhe des Mosaiks vom letzten Abendmahl nochmals, nun in Form eines auf Stein gemalten Bildnisses, das einstens den heute nur mehr in wenigen Resten vorhandenen Lettner schmückte. Der Betrachter begegnet hier einer außergewöhnlich zarten und ausdrucksvollen Darstellung des Heiligen: Der Arme von Assisi blickt – tief ins Gebet versunken – auf ein Kreuz, welches er in der linken Hand hält. Seine Hände lassen deutlich die Wundmale sehen. Erst seit dem Jahr 1966 befindet sich das Gemälde an seinem heutigen Standort, auf ein Fundament aus Ziegelsteinen gestellt.

Natürlich sind die beiden Zeugnisse erst viele Jahre nach 1224 entstanden – das Hauptportal der Kirche stammt aus der Zeit um 1340 und die Franziskusdarstellung wurde von einem anonymen Künstler zu Ende des 15. Jahrhunderts oder kurz danach angefertigt – doch sie machen deutlich, dass der stigmatisierte „Poverello“ von Anfang an permanent in den Köpfen und Herzen der Minderbrüder in Wien lebendig gewesen ist.

1. ERZÄHLER: Wie Franziskus ist auch der zweite Heilige des Ordens, nämlich Antonius von Padua, in der Wiener Minoritenkirche präsent. Ihn finden wir ebenfalls auf dem Tympanon des rechten Seitenportals der Hauptfassade, kenntlich gemacht durch ein Buch, das er in der Hand hält; er steht neben Klara von Assisi sowie Elisabeth von Thüringen und repräsentiert gemeinsam mit ihnen die drei Zweige des Franziskanerordens, der sich als männlicher, weiblicher und Drittorden manifestiert. Im Inneren des Gotteshauses ist der Heilige gleichfalls anzutreffen, denn die einzige heute noch verbliebene Kapelle der Kirche trägt seinen Namen. Und auch in diesem Falle wird eine alte Kontinuität spürbar: War schon in der „Basilica del Santo“ zu Padua bald nach dem Tode des Heiligen (1231) eine „Confraternità di Sant’Antonio“ gegründet worden, so folgte man in Wien diesem Beispiel im Jahre 1652 durch die Schaffung einer „Bruderschaft des hl. Antonius“.

2. ERZÄHLER: Doch auch der dritte offiziell durch den Papst 1317 heilig gesprochene Franziskaner, Ludwig von Anjou, Bischof von Toulouse, ist mit der Wiener Minoritenkirche verbunden, obwohl dessen Kult ursprünglich nur auf den Raum um Marseille beschränkt war, dem Ort der Bestattung dieses Prinzen, aber sich später auf große Teile der Provence und schließlich auf ganz Südfrankreich ausgedehnt hat. Allerdings ist der hl. Ludwig in unserer Kirche nicht so augenscheinlich zugegen wie die beiden erstgenannten Persönlichkeiten. Und dennoch, wenn man die Antoniuskapelle betritt, sieht man an der rechten Seite eine Gedenkplatte aus dem Jahre 1599 für Familienangehörige des alten – ursprünglich aus Spanien stammenden – Adelsgeschlechts der Hoyos, zu Ehren von Johannes dem Täufer sowie dem hl. Ludwig von Toulouse.

Wir wollen nun in der heutigen Meditation diesem Franziskaner etwas genauer nachspüren und uns vor allem die Frage stellen, weshalb jener Ludwig von Anjou gerade in der Wiener Minoritenkirche verehrt wurde. Gleich vorweg: Wir haben es hier nicht mit dem heiligmäßigen König Ludwig IX. von Frankreich zu tun, sondern mit dessen Großneffen aus dem Geschlecht der Anjou, Blutsverwandtschaft und Herzensbildung greifen hier also ineinander.

1. ERZÄHLER: Als Urheberin der Verehrung des hl. Bischofs Ludwig von Toulouse in unserer Kirche hat Isabella, die Tochter König Jakobs II. von Aragon und Blancas von Neapel, zu gelten. Isabella oder auch Isabel, welche in Österreich als Gemahlin des 1330 verstorbenen Habsburgers Friedrich des Schönen Elisabeth genannt wurde, war die Nichte jenes Bischofs Ludwig. Nun berichtet das Nekrologium, das Totenbuch, der Minoriten, dass jene Königin Isabella-Elisabeth eine Ludwigskapelle bei der Minoritenkirche stiftete, in der sie dann auch nach ihrem Tode im Jahre 1330 im Sinne ihrer testamentarischen Verfügung bestattet wurde. Lange Zeit vermutete die Forschung, dass jene Kapelle an die Ostseite der Kirche angebaut worden war – daher wurden die anlässlich des U-Bahn-Baus (1984-86) freigelegten Fundamente auch mit einem solchen Hinweis versehen -, doch heute gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass jene Stiftung der Gemahlin König Friedrichs des Schönen für ihren Onkel an der Nordseite der ursprünglich zweischiffigen Klosterkirche ihren Platz fand. Wahrscheinlich hat man schon bald nach der Eheschließung von Friedrich und Isabella im Jahre 1314 mit dem Bau der Kapelle begonnen, denn bereits im Jahre 1328 verleiht Papst Johannes XXII. all jenen, welche an bestimmten Tagen die Ludwigskapelle besuchen, einen vollkommenen Ablass. Genau jener Papst war es auch, der Ludwig 1317 heilig sprach.

2. ERZÄHLER: Zwar kann man heute die Ludwigskapelle nicht mehr wahrnehmen, da sie im Laufe des 14. Jahrhunderts mit der alten Minoritenkirche verschmolzen ist und jetzt den Großteil des nördlichen Seitenschiffs ausmacht, doch es dürfte sich das Tympanonrelief dieses Gotteshauses, das Friedrich sowie Isabella als Mäzene verewigt, erhalten haben, welches nun das Nordportal der Minoritenkirche schmückt. Dieses Giebelfeld, das der „nachklassischen Gotik“ zugerechnet wird, ist damit aller Wahrscheinlichkeit nach das älteste erhaltene figurale Kunstwerk der Kirche.

1. ERZÄHLER: Was für ein Mensch war nun jener Ludwig von Anjou, der als Königssohn dem europäischen Hochadel angehörte, der aber schließlich auf sein Thronrecht verzichtete, Franziskaner und kurz darauf Bischof wurde und den man schließlich zur Ehre der Altäre hob?

Ludwig wurde 1274 als zweiter Sohn Karls II. von Anjou, dem König von Neapel, und somit ganz Süditaliens, geboren. Die ersten Jahre seines Lebens verbrachte er in Neapel, ab 1279 weilte er mit seinen Eltern in der Provence. Als er zehn Jahre alt war, trat ein Ereignis ein, das sein weiteres Leben grundlegend bestimmen sollte: Im Kampf um Sizilien, das 1282 von Peter III. von Aragon besetzt worden war, der als Schwiegersohn des Stauferkönigs Manfred Anspruch auf die Insel erhoben hatte, geriet Karl 1284 – damals noch Thronprätendent - in aragonesische Gefangenschaft. In einem Vertrag des Jahres 1288 wurde dann bestimmt, dass Karl die Freiheit – und damit verbunden das Königtum - erlangen könne, wenn – neben anderen Auflagen - drei seiner Söhne, darunter Ludwig, als Geiseln nach Katalonien geschickt würden, was dann auch tatsächlich geschah. Auf diese Weise verbrachte Ludwig sieben Jahre in aragonesischer Gefangenschaft, die dem seit seiner Kindheit schwächlichen Jüngling – besonders anfangs - eine sehr harte und entbehrungsreiche Zeit bescherte. Andrerseits kam er gerade damals mit der franziskanischen Spiritualität in engen Kontakt, einmal durch seinen Beichtvater, den Franzosen François Brun, aber auch durch den Katalanen Pietro Scarrier, der sein Freund und Begleiter wurde. Diese gaben in den Prozessakten anlässlich der durch Papst Clemens V. im Jahre 1307 eingeleiteten Untersuchungen im Hinblick auf die Heiligsprechung Ludwigs zu Protokoll, dass der Prinz bereits in seiner Zeit als Gefangener sehr beeindruckt war von dem minoritischen Verständnis der evangelischen Armut. Tatsächlich drang schon während der Jahre seiner Geiselhaft die Entscheidung des Königssohns für ein geistliches Leben nach außen, denn Bruder Brun erhielt von Papst Coelestin V. den Auftrag, Ludwig mit einer Tonsur zu versehen und ihm die vier niederen Weihen zu erteilen. Die päpstlichen Schreiben wurden allerdings nach der Zeremonie aus Furcht vor den Wächtern vernichtet, doch die umfassende biographische Literatur über den Prinzen hat uns die Kenntnis von diesem Ereignis überliefert. Der genannte Papst übertrug Ludwig sogar die Verwaltung des Erzbistums von Lyon, eine Verfügung, die der nachfolgende Pontifex Bonifaz VIII. allerdings wieder aufgehoben hat.

2. ERZÄHLER: Im August 1295 starb der erstgeborene Sohn des Königs von Neapel Karl, genannt Martell, und somit war Ludwig plötzlich zum Thronfolger aufgerückt. Am Vorabend von Allerheiligen des gleichen Jahres erfolgt dann schließlich die Freilassung der drei Söhne Karls II., nämlich von Ludwig, Robert und Raimund Berengar, und die Versöhnung der beiden Herrscherhäuser von Neapel und Aragon wird durch die unmittelbar danach anberaumte Vermählung von Ludwigs Schwester Blanche, der späteren Mutter Isabellas – Elisabeths, mit König Jakob II. von Aragonien befestigt und am 16. Jänner 1296 endgültig besiegelt.

Kaum ist Ludwig in Freiheit, bezeugt er sofort seine geistliche Berufung: Bereits im Jänner 1296 verzichtet er auf die Thronfolge zugunsten seines Bruders Robert, den man später „den Weisen“ genannt hat, und wahrscheinlich im Mai 1296 wird er in Neapel zum Priester geweiht

 



Karl II von Anjou - Neapel
Darstellung aus dem 14. Jh.



Bonifaz VIII:
Fresco von Giotto im Lateran











Karl II. vs. Bonifaz VIII.
Rezitation: Apfelbaum, Griessner





Ludwig von Toulouse
Rezitation: P. Szczepanski OFM

Dies alles geschieht durchaus im Einvernehmen mit Ludwigs Vater Karl, der daran interessiert gewesen ist, seinen politischen Einfluss auch durch die Besetzung hoher geistlicher Ämter mit Mitgliedern seiner Familie zu festigen. Und dennoch verläuft für den König nicht alles nach Wunsch, denn Ludwig gibt sich nicht damit zufrieden, Geistlicher zu werden, er will das Ordenskleid der Franziskaner annehmen; und an einem höheren Kirchenamt zeigt er absolut kein Interesse.

1. ERZÄHLER:
Zweifellos hat es zwischen Karl II. und Papst Bonifaz VIII. in dieser Angelegenheit eine Vorabsprache gegeben, deren Verlauf vielleicht in folgender Weise skizziert werden kann:

(Die folgende Szene spielt im päpstlichen Palast in Anagni):

KARL:
Eure Heiligkeit, ich suche Euch auf, da mein Sohn Ludwig die geistliche Laufbahn gewählt hat und weil ich sehr darauf hoffe, dass er durch ein hohes Kirchenamt dazu beitragen kann, den von mir eingeschlagenen Prozess der Befriedung des süd- und westeuropäischen Raums zu fördern.

BONIFAZ: Ich bin sehr erfreut darüber, dass Ihr mir Gelegenheit gebt, bei der Realisierung Eurer Pläne behilflich zu sein. Die römische Kirche muss ja zu der großen Konzeption meines Vorgängers auf dem päpstlichen Stuhl Innozenz III. zurückkehren und einen wesentlichen Beitrag zur Gestaltung der Politik im christlichen Abendland leisten. Nur so ist der Segen Gottes für unsere Länder garantiert. Diese Überzeugung habe ich ja bereits bei meiner Wahl 1294 klar zum Ausdruck gebracht und Ihr habt die Wichtigkeit meiner Bemühungen erkannt, denn sonst hättet Ihr meine Wahl nach dem Rücktritt von Coelestin nicht so vehement unterstützt.

KARL: Ja, Ihr sagt es! Doch nun komme ich zu Euch mit einem für meine Friedensbemühungen ganz wichtigen Plan und erbitte mir Eure Unterstützung. Wie ich vernommen habe, soll der Bischofsstuhl von Toulouse neu besetzt werden. Niemand ist nun – so meine ich – für die Leitung dieser wichtigen Diözese an der Grenze zwischen Frankreich und Aragon geeigneter als mein Sohn. Der französische König Philipp ist mein Vetter und mit König Jakob habe ich eben einen Freundschaftsvertrag geschlossen. Keiner von ihnen wird etwas gegen die Ernennung von Ludwig zum Bischof von Toulouse einwenden, ganz im Gegenteil, ich erwarte mir von beiden einhellige Zustimmung.

BONIFAZ: Da werdet Ihr wohl recht haben, und ich wäre froh, einen Beitrag zum politischen Machtgleichgewicht als Papst, der von Christus eingesetzt ist zu binden und zu lösen, leisten zu können. Auch ich würde das Wohlwollen der beiden Monarchen sehr begrüßen. Besonders Philipp IV. von Frankreich, der sich in den letzten Jahren als ungetreuer Sohn der Kirche erwiesen hat, sollte durch eine solche päpstliche Entscheidung verstehen, dass wir willens sind, ihm mit Nachsicht und Verzeihen die Hand entgegenzustrecken. Dennoch habe ich ein Bedenken: Wie Ihr vielleicht wisst, hat Euer Sohn Ludwig den dringenden Wunsch geäußert, Franziskaner zu werden. So wichtig mir auch alle der päpstlichen Führung gegenüber loyalen Mitglieder der Mendikantenorden sind, ich bin mir nicht sicher, ob ein Minorit, dessen Ordensgründer alle kirchlichen Würden für sich und seine Brüder kategorisch abgelehnt hat, der geeignete Mann für die Leitung einer so wichtigen und einflussreichen Diözese ist, die mir - wie Ihr vielleicht wisst – in der Vergangenheit schon viele Sorgen bereitet hat.

KARL: Was! Mein Sohn, Spross einer königlichen Familie, will in diesen Orden der Bettler und Vaganten eintreten? Dafür wird er nie und nimmer meine Zustimmung erhalten! Warum schließt er sich nicht einem altehrwürdigen Orden an, wie es die Benediktiner oder die Augustiner Chorherren sind? Das wäre doch für einen Königssohn angemessener!

BONIFAZ: Ich werde mit Eurem Sohn sprechen. Vielleicht kann ich ihn umstimmen.

2. ERZÄHLER: Wie dachte nun Ludwig über sein weiteres Leben? Fassen wir einige seiner innigsten Wünsche in ein Gebet, das wir dem späteren Heiligen in den Mund legen:

LUDWIG: Großer Gott und Vater! Du hast mir in den schweren Jahren meiner Haft Freunde geschenkt, die mich lehrten, das Leben von einer anderen, Dir vielleicht wohlgefälligeren Seite zu sehen. Ich erkannte mit Hilfe meiner Lehrer, dass eine wahre Nachfolge Christi darin besteht, ein Leben in Armut und in Hingabe zu führen. Nicht auf Wissen kommt es an, sondern auf die Durchdringung mit göttlicher Erkenntnis. Wie hat es unser Fratello Francesco in seinem Brief an Antonius von Padua formuliert: „Ich erlaube dir, dass du den Brüdern die heilige Theologie vorträgst, wenn du nur nicht durch diese Studien den Geist des Gebetes und der Hingabe auslöschest, wie es in der Regel steht“. Franziskus hat uns ja einen Weg gewiesen, wie wir auch in unserer Zeit den Fußspuren Deines Sohnes Jesus Christus nachfolgen können. Er lehrte seine Mitbrüder, ihre eigene Existenz im heilsgeschichtlichen Zusammenhang zu bestimmen und gab ihnen Mut, unserem Herrn Jesus Christus in all seiner menschlichen Armut verbunden zu sein, nach Deinem Willen zu handeln und die Gewissheit Deiner Liebe in unseren Herzen zu tragen. Nach diesen Grundsätzen möchte ich mein weiteres Leben gestalten; deshalb drängt es mich, gemeinsam mit den Söhnen des Heiligen von Assisi zu leben. – Ich ging für meinen Vater in die Gefangenschaft, ich war ihm bisher in allem und jedem gehorsam, doch wenn er verhindern will, dass ich Minorit werde, muss ich gegen seinen Willen handeln, denn Dein Wille, himmlischer Vater, hat größeres Gewicht.

Musik:
Francesco Durante (1684-1755): "Vergin tutto amor"

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


 








































 

2. ERZÄHLER: Als Ludwig erfährt, dass ihn der Papst zum Bischof von Toulouse berufen will, begibt er sich sofort nach Rom, um diese Ernennung zu verhindern. Damals soll er gesagt haben: „Ich will nicht Seelsorger sein, denn es genügt mir, Gott über meine eigene Seele Rechenschaft abzulegen!“

Auch in dieses Gespräch zwischen Ludwig von Anjou und Papst Bonifaz VIII. versuchen wir uns hineinzudenken, und begeben uns deshalb wieder in den päpstlichen Palast zu Anagni:

LUDWIG: Heiliger Vater, ich komme hierher, um Euch anzuflehen, mir die Erlaubnis zu geben, dem Orden der Minderbrüder beitreten zu dürfen. Ich weiß genau, dass dies mein Vater mit allen Mitteln verhindern möchte, aber ich weiß ebenso gut, dass Euer Einfluss auf ihn sehr groß ist. Deshalb hoffe ich darauf, dass Ihr ihn umstimmen könnt. Außerdem flehe ich Euch an, nicht mir das Bistum von Toulouse anzuvertrauen, sondern einen würdigeren und geeigneteren Kanditaten auszuwählen; denn ich möchte meine irdischen Tage als Minderer Bruder zubringen, so wie es der heilige Franziskus von Assisi gemeint hat, der für sich und seine Brüder jegliches hohe Kirchenamt abgelehnt hat.

BONIFAZ: Mein Sohn, ich bitte Euch, realistisch zu denken und Euch darauf zu besinnen, dass Ihr nicht mehr ein armseliger Gefangener des aragonesischen Königs seid. Ihr seid jetzt als Priester Diener der Kirche Gottes und Eure Abstammung prädestiniert Euch, dem Allerhöchsten einen besonderen Dienst zu erweisen. Als Sohn des Königs von Neapel sowie als Schwager des Herrn von Aragon und Verwandter des französischen Monarchen hat Euch Gott dazu bestimmt, zum Ruhm und zur Glorie Seiner Kirche ein wichtiges Werkzeug des Friedens zu werden. Und falls Ihr Euch wirklich unbedingt zum Minoriten berufen fühlt und nicht einem monastischen Orden beitreten wollt, so bedenkt, dass der frühere Generalminister der Minderbrüder, Girolamo von Ascoli, sogar Papst wurde und als Nikolaus IV. bis 1292 im Amt war. – Presbyter Ludwig, ich mache Euch als Papst und Stellvertreter unseres Herrn Jesus Christus folgenden Vorschlag: Ich erwirke für Euch kraft meines Amtes eine Sondererlaubnis, die es Euch gestattet, auch gegen den Willen Eures Vaters das franziskanische Kleid anzulegen, wenn Ihr bereit seid, das Bischofsamt anzunehmen. Das ist in dieser Angelegenheit mein letztes Wort.

LUDWIG: Ja, heiliger Vater, ich füge mich Eurem und Gottes Willen.

1. ERZÄHLER: Und so geschah es, dass Ludwig am 24.12.1296 in den Orden der Minderbrüder aufgenommen wurde und 6 Tage danach, am 30.12 dieses Jahres seine Ernennung zum Bischof von Toulouse erfolgte. Seine öffentliche Einkleidung nahm der Papst am 5. Januar 1297 vor.

Mit dieser Handlungsweise des Pontifex war zwar Karl II. vor vollendete Tatsachen gestellt, doch dies wog schlussendlich doch den Umstand auf, dass sein Sohn neuer Bischof einer der wichtigsten Diözesen Frankreichs geworden war.

Niemand konnte allerdings zu diesem Zeitpunkt ahnen, dass Ludwig nur mehr wenige Monate zu leben hatte. Nach seiner Weihe begibt sich der Prinz zuerst nach Paris und reist schließlich im Mai weiter nach Toulouse, um seinen Bischofssitz zu übernehmen. Dort bleibt er allerdings nur kurz, denn er bricht noch in der zweiten Junihälfte nach Katalonien auf, um seinem Schwager Jakob II. von Aragon und dessen Gemahlin, seiner Schwester Blanche, einen Besuch abzustatten. Der Rückweg führt ihn sodann von Barcelona nach Montpellier, Aix und Brignoles, wo er neuerlich seinen Vater trifft. In den ersten Augusttagen des Jahres 1297 verkühlt er sich während er die Messe zelebriert und stirbt etwa 14 Tage darauf, am 19. August, offensichtlich an einer wieder aufgeflammten Tuberkulose, die ihn bereits in früheren Jahren befallen hatte, im Alter von 23 Jahren. Seinem testamentarischen Wunsch gemäß wurde Ludwig in der Minoritenkirche von Marseille bestattet.

2. ERZÄHLER: Schon zu Lebzeiten Ludwigs entstanden Berichte, die von dessen großer Demut und Frömmigkeit erzählten, und bereits sehr bald nach seinem frühen Tode verbreitete sich der Glaube an seine Heiligkeit. Es nimmt daher auch nicht wunder, dass König Karl, kaum dass es ihm die Trauer über den Verlust seines Sohnes gestattete, in den er so große Hoffnungen gesetzt hatte, sich bei Bonifaz für die Eröffnung eines Heiligsprechungsprozesses einsetzte. Allerdings hatte er bei diesem mit seinem Ansuchen keinen Erfolg. Ein solches Verfahren wurde erst 1307 unter dem Papst Clemens V. mit der Bulle vom 1. August jenes Jahres eingeleitet. In diesem Schreiben betont der Pontifex, dass Ludwig die weltliche Eitelkeit und den königlichen Prunk verachtete und im Sinne der apostolischen Armut gelebt habe. Deshalb sei es auch sein dringender Wunsch gewesen, nach der Ordensregel des heiligen Franziskus von Assisi zu leben. Als er zum Bischof von Toulouse berufen worden war, habe er auf alle irdischen Ehrerbietungen in höchster Bescheidenheit verzichtet und sich ganz für Gott aufgeopfert. Weiters wird in dem päpstlichen Dokument das Streben des Prinzen nach göttlicher Erkenntnis sowie sein heiligmäßiges Leben und sein Mitgefühl für die Armen hervorgehoben.

Zahlreich sind die Zeugen, welche in den Prozessakten zu Wort kommen, weshalb viele Historiker auch die Meinung vertreten, dass man nur selten einem Menschen des Mittelalters so nahekommen kann, wie es in diesem Falle möglich ist. Unter den Befragten sind auch zahlreiche Franziskaner, obwohl es doch auffällt, dass sich unter den fünf Prokuratoren des Prozesses kein einziger Minorit befand. Man befürchtete ganz offensichtlich, ein entschiedeneres Engagement in dieses Verfahren könnte in Anbetracht der radikalen Hinwendung Ludwigs zur freiwilligen Armut den durch den Orden ausgegrenzten Spiritualen Aufwind geben und ihnen zur Rechtfertigung ihrer Haltung dienen. Wie ernst damals tatsächlich gar nicht wenige und oft an den Rand gedrängte Ordensmitglieder das ursprüngliche franziskanische Armutsverständnis nahmen, lässt sich zum Beispiel sehr gut dem ‚Lobgesang auf die Heilige Armut und ihren drei Himmeln’ (De la Santa Povertà e suo triplice cielo) des bedeutenden minoritischen Dichters Jacopone von Todi (+ 1306), dem wahrscheinlich wichtigsten religiösen Dichter des mittelalterlichen Italien, entnehmen.

 

 


Jacopone von Todi
Fresco im Dom zu Prato








 


 

 

Rezitation

Jacopone von Todi:
Von der heiligen Armut und ihren drei Himmeln
 

Armut, o du Liebesfülle,

Armut, o du Reich der Stille!

Armut führt uns sichre Straße,

leer von Streit und leer von Hasse,

braucht vor Dieben nicht zu zittern,

noch vor Sturm und Ungewittern.

Armut kann in Frieden sterben

Ohne Testament und Erben,

läßt die Welt in Ruh hienieden

und den Menschen ihren Frieden,

Braucht nicht Richter noch Notare,

dass sie ihre Rechte wahre,

kann des Geizgen angstvoll Trachten

lachenden Gemüts verachten.

Armut, o du hohes Wissen,

die du jedes Ding kannst missen,

achtest den Besitz geringe

und besitzest alle Dinge.

Wer entsagt, der wird sie haben

Und besitzen ohne Schaden,

ohne dass er je es litte,

dass ein Ding hemmt seine Schritte.

Wer begehrt, der wird besessen,

ist verkauft und Sklave dessen,

das er liebt und glaubt zu zwingen,

während er erliegt den Dingen.

Bin zu feig zu solchem Ruhme,

taug nicht zum Vasallentume,

um mein Bild aus Gottes Händen

durch so eitles Tun zu schänden.

Gott wohnt nicht in engem Herzen,

Liebe macht es weit in Schmerzen,

Armut wird die Brust dir dehnen,

dass drin Gott kann Wohnung nehmen.

Armut, Himmel du, verborgen

dunklen Seelen, die voll Sorgen!

Wen der dritte Himmel riefe,

hört die Stimmen aus der Tiefe.

Erster ist das Firmament,

wo das Herz vom Ruhm sich trennt,

denn solang er dich noch bindet,

keine Sicherheit es findet.

Um den Ehrgeiz zu erschlagen,

musst dem Reichtum du entsagen,

Wissenschaft muss lernen schweigen,

Heiligkeit muss niedersteigen.

Reichtum mahlt die Zeit zu Staube,

Wissen wird dem Wind zum Raube

und im Ruhme spielt Verstecken

Heuchelei in allen Ecken.

Wie der Sternenhimmel ewig

strahlt, wer dieser drei ward ledig,

wird zum andern dann entrückt,

den kristallne Klarheit schmückt.

Winde vier das Meer bewegen,

die des Menschen Herz erregen:

Furcht und Hoffen, diese beiden,

Freude wechselnd stets mit Leiden.

Diese vier sie sind Gefahren,

härter als die ersten waren,

wenn auch gelten wird als Narrheit

ihm, der nicht erfuhr die Wahrheit.

Darfst nicht vor der Hölle bangen,

nach dem Himmel nicht verlangen,

überfließen nicht in Freuden,

und verzagen nicht in Leiden.

Tugend kennet kein Warum,

das Warum ist äußeres Tun,

lehrt dich nicht die Heilung finden

von der Krankheit deiner Sünden.

Wenn die Tugend nackt und arm

streitet mit der Laster Schwarm,

tödlich sich die zwei verwunden,

bis der Gegner überwunden.

Und die Laster sterbend fliehen,

neu die Tugenden erblühen,

dann siehst du den Trost sich breiten

selger Unerschüttertheiten.

Von des dritten Himmels Höhen

ist nicht Maß noch Ziel zu sehen,

jenseits jeglicher Erscheinung,

bildlos allen Bilds Verneinung.

Allen Guts er dich beraubet,

aller Tugend dich entlaubet,

doch das Reichste du erhandelst,

da in Niederkeit du wandelst.

Dieser Himmel dort sich ründet

und auf einem Nichts sich gründet,

wo die Lieb in letzter Klarheit

nur noch lebet in der Wahrheit.

Alles Sein muss sinnlos scheinen

vor dem Allerhöchsten-Einen.

Hochmut siehst gekrönt du werden,

Demut geht verdammt auf Erden.

Zwischen Tugend und der Tat

setzt das Spiel gar manchen matt,

und es glaubt das Spiel gewonnen

mancher, der vom Weg gekommen.

Dieser Himmel ist ohn Namen,

menschlich Wort muss dran erlahmen,

wo die Liebe hingerissen

liegt in leuchtend Finsternissen.

Licht in Finsternis zerbricht

und die Finsternis wird Licht.

Dieser Lehre junges Drängen

wird die alten Schläuche sprengen.

Wo nach Christus ist Verlangen,

ist das Alte schon vergangen,

eines tauscht des andern Meinung

in dem Wunder der Vereinung.

Lieb ist allem Leid entrissen

und die Weisheit ohne Wissen,

und der gottgeeinte Willen

seinen Wunsch nur will erfüllen.

Leb ich, leb ich nicht das Meine,

bin ich, ist mein Sein das Seine,

dieses ist ein solch Verwandeln,

dass ich nicht davon kann handeln.

Armut nennet nichts ihr Eigen,

wird nach nichts Begehren zeigen,

und doch über allem thronen,

in dem Geist der Freiheit wohnen.

 





Rezitation: Zips



Rezitation: Zips, Borioni

1. ERZÄHLER: Besondere Beachtung verdient das Urteil des Bischofs von Fréjus, Jacques Duèse, der den Prinzen nach seiner Ordination zum Oberhirten von Toulouse kennengelernt hatte, denn hier handelt es sich um niemand Geringeren als den späteren Papst Johannes XXII., der Ludwig 1317 in das Verzeichnis der Heiligen eingetragen hat. Jener gab zu Protokoll, der junge Bischof sei hoch über allen weltlichen Angelegenheiten gestanden.

Sehr bald wurden Ludwig zahlreiche Wundertaten nachgesagt. Schon anlässlich seiner Beisetzung, bei der alle Notabeln von Marseille, ja der gesamten Region und viel Volk anwesend waren, ereignete sich Wunderbares: So wird berichtet, der Vikar der Stadt habe sich vor den Sarg gestellt und sei darauf sofort von einem Schmerz in der Hüfte geheilt worden. Außerdem erzählte man, dass am folgenden Tag während der Morgenandacht für den Verstorbenen der Prinz im Gewand eines Minderen Bruders auf der Höhe des Chores neben dem Altar erschienen sei, und diese Vision habe die ganze Zeit des Gottesdienstes angedauert.

In der Folge wurden dem Heiligen – zuerst vor allem in Marseille und im weiteren Umland, später aber auch in ganz Frankreich und darüber hinaus – außerordentliche Wunderkräfte zugeschrieben. Nicht weniger als 211 Heilstaten sind in einem eigens angelegten „Liber miraculorum“ verzeichnet, der innerhalb weniger Monate nach der Bestattung des Prinzen angelegt worden war. Viele Menschen seien zu seinem Grabmal gepilgert und wurden auf diese Weise von ihren Leiden geheilt.

2. ERZÄHLER: Dieser mit Ludwig von Toulouse in Verbindung gebrachte Glaube an die Wunderwirksamkeit des Heiligen, hält – nach der Aussage des Historikers Jacques Paul – bis zur Gegenwart mehr oder weniger unvermindert an, und so wird noch heute der franziskanische Bischof besonders in Todesnot häufig um Hilfe angerufen. Von seiner historischen Gestalt blieb da nur sehr wenig übrig. Dieses Schicksal teilt er durchaus mit Antonius von Padua, dem die nun einzige Kapelle der Wiener Minoritenkirche geweiht ist.

Wenn man somit die Antoniuskapelle unseres Gotteshauses betritt, die ja baugeschichtlich ursprünglich ein Teil der früheren Ludwigskapelle gewesen ist, dann erscheint es durchaus gerechtfertigt, hier nicht nur des zweiten großen franziskanischen „Santo“ zu gedenken und in Anbetracht seines segensreichen Wirkens seine Hilfe zu erbitten, sondern auch dessen Mitbruder und dritten offiziellen Ordensheiligen Ludwig einzuschließen, der vor allem in Südfrankreich und Nordspanien auch heute noch als großer und barmherziger Wundertäter verehrt wird. Durch die hohe Mobilität des europäischen Adels bereits im Mittelalter gelangten die Kenntnis über ihn sowie seine Verehrung auch in unsere Lande und wurden - natürlich vor allem im Traditionsbereich der Minderbrüder – in unserer Stadt bis in die Neuzeit wachgehalten; das dokumentiert nicht nur die Minoritenkirche sondern auch die Wiener Franziskanerkirche mit einer Ludwigsstatue an der Westfassade und auf dem im frühen 18. Jahrhundert von Andrea dal Pozzo geschaffenen Hochaltar. Am 19. August, dem Todestag Ludwigs, gedenken die Orden der franziskanischen Familie dieses Heiligen und erinnern an sein Beispiel, das alle in der Liebe zu Gott und zu den Mitmenschen bestärken und im Glauben festigen soll. Wir wollen unsere Betrachtung mit dem Tagesgebet zum Gedenken an jenen Bischof von Toulouse beenden:


Gott, du König der ewigen Herrlichkeit,

du hast den heiligen Bischof Ludwig gelehrt,

das himmlische Reich höher zu schätzen

als die irdische Herrschaft

und den Armen in herzlicher Liebe zu helfen.

Gewähre uns,

in allem dein Reich zu suchen

und seinem Beispiel in dieser Welt nachzueifern,

damit auch wir die Krone des Lebens erlangen

durch Jesus Christus,

deinen Sohn, unseren Herrn und Gott,

der in der Einheit des Heiligen Geistes

mit dir lebt und herrscht in alle Ewigkeit.

 

Musik:
Johann Sebastian Bach (1685-1750): "Breezy Bach" ("Air" aus der Suite Nr. 3 in D-Dur).


Manfred Zips