Antonius von Padua,
Gemälde in der Sala Kolbe



Der heilige Antonius von Padua,
Altargemälde in der Antoniuskapelle
der Minoritenkirche



Antonius-Reliquie
(Ex Cute S. Antonii Pad.)
im Besitz der Italienischen Kongregation

 

Lange Nacht der Kirchen 2009
in der Minoritenkirche



Antonius von Padua - Meditation
für die "Lange Nacht der Kirchen" am 05. Juni 2009

verfaßt von Dr. Manfred Zips

 

Wenige Jahre nach der Heiligsprechung Francescos von Assisi, im Jahre 1228, wurde Antonius von Padua vom gleichen Papst Gregor IX. bereits elf Monate nach seinem Tode im Jahre 1232 in der Kathedrale von Spoleto kanonisiert. Es war dies die zweite Heiligsprechung eines Angehörigen der minoritischen Bruderschaft innerhalb kürzester Zeit.

Wer ist dieser Bruder Antonius, der – wie wir noch sehen werden – im Jahre 1222, unverhofft wie ein Meteorit am Himmel, gleichsam aus dem Nichts aufstieg?

Man nimmt heute an, dass Fernando, wie er von seinen Eltern Martin und Maria Alfonsi genannt wurde, am 15. August 1195 das Licht der Welt erblickte.

Als Kind eines Ritters im Dienst des Königs Alfons II. genoss er in der Folge ein großes Privileg, das nur wenigen zuteil wurde: Er durfte an die Schule, die der Kathedrale angeschlossen war, wo er in den sogenannten ‚sieben freien Künsten’ Grammatik, Dialektik, Rhetorik; Arithmetik, Astronomie, Geometrie und Musik unterrichtet wurde. Mit 15 Jahren trat er in das Noviziat der Regularkanoniker von S. Vicente bei Lissabon ein, einer Ordensgemeinschaft, die der sogenannten Regel des hl. Augustinus folgte. Bald zog er jedoch in das Kloster nach Coimbra, der damaligen Hauptstadt Portugals, wo der Orden ein damals berühmtes Studienzentrum besaß. Hier legte er das Fundament seines breiten theologischen Wissens, von dem seine späteren Predigten und Bücher zeugen. Da die Regularkanoniker ein Priesterorden sind, können wir annehmen, dass der junge Fernando hier früher oder später auch die Priesterweihe empfangen hat. Tatsächlich sind sich die Quellen einig, dass er Geistlicher geworden war, noch bevor er im Jahre 1220 dem Franziskanerorden beitrat.

Das entscheidende Erlebnis, das in dem jungen Mann den Wunsch aufkeimen ließ, Minorit zu werden, war die Überführung von fünf Franziskanern nach Coimbra, die in Marokko den Märtyrertod erlitten hatten. In gleicher Weise wollte auch Fernando seinen Glauben mit dem eigenen Leben bezeugen. Seit 1217 existierte ja etwas außerhalb von Coimbra, in Sant’ Antonio di Olivaes, eine minoritische Bruderschaft, die ihre Niederlassung nach dem ägyptischen Einsiedler und Mönchsvater Antonius (+ ca. 356) benannt hatte.

Nachdem man Fernando aus seinem Mutterkloster sehr widerwillig ziehen gelassen hatte, wurde er im Sommer 1220 schließlich Franziskaner und nannte sich jetzt nach seinem neuen Konvent Antonius. Sofort begab er sich nach Marokko, um dort – unter Einsatz seines Lebens - für Christus Zeugnis abzulegen. Doch es sollte ganz anders kommen! Denn die Malaria zwang ihn sehr bald darnach, schleunigst wieder an Heimkehr zu denken. Aber das Schiff, welches ihn zurückbringen sollte, geriet in Seenot und landete schließlich in Sizilien. Dort erfuhr er, dass der Ordensvater Franziskus für Pfingsten 1221 in Assisi ein Generalkapitel angesetzt hatte, und beschloss, die Gelegenheit zu nützen, um den berühmten Gründer der Gemeinschaft kennenzulernen.

Dieses Kapitel folgte zum letzten Mal der ursprünglichen Tradition, als die von oberster Stelle ausgerufenen Zusammenkünfte noch große Fest- und Begegnungstage aller Brüder waren. Zirka 3000 Ordensangehörige trafen sich damals bei der Marienkapelle der Porziuncola, der Zisterzienserkardinal Rainer Capocci, mehrere Bischöfe und Vertreter anderer Orden waren bei der Versammlung zugegen. Die Brüder schliefen im Freien und tagten unter eigens dafür erstellten „Schattendächern“, die Bevölkerung brachte reichlich Essen; Franziskus las bei der Eröffnungsfeier das Evangelium und predigte zum Thema Gepriesen sei der Herr, mein Gott, der meine Hände zum Kampf unterweist. Wir werden über dieses berühmte Generalkapitel, das in der Literatur unter dem Titel Capitolo delle Stuoie (‚Mattenkapitel’) bekannt ist, noch in Zusammenhang mit der zweiten hier zu erwähnenden Persönlichkeit hören!

Antonius war mit Sicherheit in Assisi anwesend, doch er trat in keiner Weise in Erscheinung; Er ist der große Schweiger am Kapitel, er hat nichts zu sagen, und er will nichts sagen, wie das einmal formuliert wurde (Anton Rotzetter).

Als es nach Abschluss des Treffens zur Neuverteilung der Brüder kommt, findet niemand Interesse an dem jungen Frater. Schließlich bittet dieser demütig und bescheiden den Provinzminister der Romagna, Bruder Gratian, ihn mitzunehmen. Und Gratian weist Antonius schließlich der kleinen, in den Bergen gelegenen Einsiedelei Monte Paolo nahe der Stadt Forlì, zu. In diesem Konvent verbringt Antonius zirka ein Jahr in völliger Einsamkeit mit wenigen hier lebenden Gefährten im aufopfernden Dienst an seinen Mitbrüdern, ohne ein Wort über Herkunft oder Ausbildung zu verlieren. Er ist in den Augen der Fratres nichts Anderes als ein einfacher „dienstbarer Geist“, der aus der Fremde kam.

Dieses Leben der Stille und der Meditation fand nun im September 1222 sein abruptes Ende. Zu diesem Zeitpunkt wurden nämlich in Forlì einige junge Männer, darunter auch Franziskaner und Dominikaner zu Priestern geweiht. Doch da stellte man mit Schrecken fest, dass niemand vorgesehen war, die Festpredigt zu halten. Keiner der Anwesenden erklärte sich einverstanden, unvorbereitet dieses Amt zu übernehmen. Schließlich befahl der Guardian dem jungen Antonius, von welchem er nur wusste, dass er etwas Latein konnte, diese Aufgabe zu übernehmen.

Und was nun aus dem Mund, der bisher geschwiegen hatte, herausfloss, verschlug allen Anwesenden den Atem: eine großartige Kenntnis der Heiligen Schrift, ein Gespür für das, was sie hier und jetzt bedeutet, Perspektiven, die ermutigen, eine Fülle hinreißender Zitate von Augustinus, Hieronymus und Papst Gregor dem Großen, ein klarer Aufbau, eine stringente Logik und eine unerhörte Redefähigkeit; mit anderen Worten: 1222 ist ein großer Prediger in das Licht der Öffentlichkeit getreten, und die Welt hat von nun an fast immer und überall voll Bewunderung und Dankbarkeit dieses Geschenk angenommen.

Die erste Konsequenz der Minderbrüder ist die Beauftragung des Antonius mit der Wanderpredigt; denn es ist allen klar geworden: da ist ein Gelehrter, einer der die christliche Theologie wie kaum ein anderer im Orden kennt, einer, der sich an die Regeln klerikaler Verkündigung zu halten weiß.

In der Folge durchlief der portugiesische Bruder drei intensive Predigtphasen: eine erste in Italien von 1222-1224, eine zweite in Südfrankreich von 1224-1227 und schließlich eine dritte, ganz speziell in Oberitalien, von 1227-1231.

Im erstgenannten Zeitraum, in dem Antonius primär versuchte, die zahlreichen häretischen Gruppen, vor allem die Katharer, für die Kirche zurückzugewinnen, ging es speziell darum, die Menschen von Rimini, Bologna und Mailand bis Vercelli im westlichen Piemont zu erreichen, von 1224-1227 predigte er etwa in Arles, Montpellier, Toulouse und Limoges, wo ihm die Leute massenweise zuströmten, so dass er auf Plätze, Felder, ja sogar Friedhöfe ausweichen musste.

Im Jahre 1227 kehrte Antonius nach Oberitalien zurück, da ihn das Generalkapitel zum Provinzial der Romagna gewählt hatte. Dessenungeachtet führte er seine Wanderpredigt unermüdlich weiter. Er bereiste u.a. Triest, Cividale, Gemona, Görz, Udine, Treviso, Venedig, Verona und Padua, wobei ihm allerdings nicht überall Erfolg beschieden war. Padua machte er ab 1228 zu seinem Hauptstandort.

Wenn Franziskus auch sehr wahrscheinlich Antonius kaum bis gar nicht näher kannte, so ist dem Gründer doch dessen Wirken bekannt geworden. Wahrscheinlich im Jahre 1224 richtete nun Franziskus ein Schreiben an Antonius, das uns glücklicherweise erhalten geblieben ist:

Dem Bruder Antonius, meinem Bischof, wünsche ich, Bruder Franziskus, Heil.
Ich erlaube dir, dass du den Brüdern die heilige Theologie vorträgst, wenn du nur nicht durch dieses Studium den Geist des Gebetes und der Hingabe auslöschest, wie es in der Regel steht
“.

Dieser Brief ist für uns aus zwei Gründen von besonderer Wichtigkeit: einerseits drückt sich in der Bezeichnung ‚Bischof’’ für den portugiesischen Bruder die große Ehrfurcht Francescos vor dem Amt eines Lehrers der Theologie aus; andererseits erfahren wir durch dieses Schreiben, unter welchen Bedingungen der Stifter das Studium der Theologie bei seinen Brüdern guthieß und billigte.

Im Jahre 1230 legte Antonius schließlich – entkräftet von den anstrengenden Reisen – sein Amt als Provinzminister nieder. Doch damit nahm seine pastorale Tätigkeit noch keineswegs ein Ende. Es folgte die große Fastenaktion von 1231, die erst wirklich seinen Beinamen „von Padua“ rechtfertigte.

Antonius von Padua kommt in dem genannten Jahr auf eine ganz außergewöhnliche Idee: Er macht die Fastenzeit zu einer öffentlichen Angelegenheit. Er mobilisiert den Bischof, das Domkapitel, sämtliche Priester, ebenso wie die politischen Führer. Jeden Tag will er in einer anderen Kirche predigen, die ganze Stadt soll ihm zuhören. Trotz zahlreicher Krankheitssignale seines Körpers vollbringt er die größte Leistung seines Lebens: Er hält sich nicht nur selbst an ein strenges Fastengebot, er stürzt sich auch – ohne jegliche Rücksicht auf die eigene Befindlichkeit - in eine aufopfernde pastorale Tätigkeit. Und tatsächlich wird seine Predigt jeden Tag mehr zu einem öffentlichen Ereignis: man muss dabei sein, wer es nicht ist, gehört nicht dazu! Schon tags zuvor kommen die Menschen, bringen Betten mit und schlagen ihr Nachtlager auf, um ja nichts zu verpassen. Antonius beginnt am frühen Morgen mit der Predigt, die mit Bestimmtheit etwa zwei Stunden dauert. Anschließend steht er für Gespräche und Beichte zur Verfügung, zudem macht er Besuche und greift in Konflikte ein, versucht zu schlichten, ja er beeinflusst sogar die Gesetzgebung und die Politik. Tatsächlich vermag er Frieden zu stiften zwischen Familien, Parteien und verschiedenen Persönlichkeiten; Gefangene werden aus dem Gefängnis entlassen, und Antonius erwirkt auch Amnestien für Schuldner und Bürger, die zahlungsunfähig geworden sind; Prostituierte, die sich auf dem Markt anbieten müssen, werden losgekauft.

Doch die Fastenaktion sowie eine – allerdings fehlgeschlagene – Friedensmission bei dem ghibellinischen Tyrannen Ezzelino in Verona hinterließen in Antonius tiefe Spuren der Erschöpfung und der Kraftlosigkeit. In der Hoffnung, sich in der Stille und der Einsamkeit – wie seinerzeit in Monte Paolo – erholen zu können, zog er sich in das nahe Camposampiero, etwa 16 km nördlich von Padua, zurück. Hier entdeckte er die Liebe zu den Bäumen, wobei er sich auch in diesem Zusammenhang von religiösen Assoziationen leiten ließ: In der Wurzel sieht er die Demut, der Stamm verkörpert den Gehorsam, die Zweige stehen für die Liebe, die Blätter sind Abbild der Verkündigung und in den Früchten manifestiert sich die Süßigkeit höchster Kontemplation. Antonius wünscht sich daher einen Hochsitz im Baum, und tatsächlich wird ihm dieser Wunsch erfüllt: Hier spürt er nun die freie Luft, hört das Rauschen der Blätter im Wind. Er erfühlt die Wurzeln und den Stamm und erlebt die Atmosphäre die er braucht, um dem Himmel entgegenzufliegen.

Doch eines Tages bricht er während des Essens zusammen: Wahrscheinlich hat er einen Herzinfarkt erlitten. Die Brüder führen ihn aus dem Esszimmer und legen ihn auf eine Bahre. Er äußert den Wunsch, nach Padua zurückgebracht zu werden, in sein geliebtes Kloster S.Maria Mater Domini, wo er manche Jahre gelebt und gewirkt hat. Man bettet ihn daher auf einen Ochsenkarren und fährt ihn auf holpriger Straße in Richtung Stadt. Doch unterwegs beschließt man – wegen des schlechten Gesundheitszustandes des Bruders – im Minoritenkonvent von Arcella, damals in einem Vorort von Padua gelegen, Halt zu machen. Mit den berühmt gewordenen Worte „Ich sehe den Herrn!“ verstirbt hier Antonius am 13. Juni 1231. Nach längeren Verhandlungen – weder die Klosterbewohner noch die Bevölkerung des Ortes Capo di Ponte wollen den Leichnam des heiligmäßigen Bruders herausgeben -  findet zuletzt dann doch, nach den entscheidenden Worten des Bischofs sowie des franziskanischen Provinzials, am 17. Juni die feierliche Überführung des toten Antonius nach Padua zu der damals noch kleinen Marienkirche und dem ihr angeschlossenen Franziskanerkloster statt.

Erst nach der Kanonisation Antonios am 30. Mai 1232 begann man schließlich mit dem Bau der großen Basilika, in die man am 8. April 1263, in Anwesenheit des damaligen Generalministers Bonaventura die sterblichen Überreste des Heiligen brachte.

Da wir in diesem Zusammenhang nicht den Wundertäter Antonius, den bereits Bonaventura pries und der vor allem unser heutiges Bild von dem Heiligen prägt, sondern vielmehr den franziskanischen Theologen und Prediger in den Mittelpunkt rücken wollten, soll am Ende dieser Betrachtung das Schlussgebet an den Heiligen stehen, das der Verfasser der Assidua, der ersten Vita des hl. Antonius, benannt nach dem Einleitewort des Prologs, in dem das dringende Verlangen der Brüder nach der Darstellung der Lebensgeschichte des Heiligen ausgedrückt ist, an den Schluss seiner Abhandlung stellt:
 

47,4: Siehe, o gütiger Vater, ich habe deine Taten, wenn auch mit ungehobelten Worten, erzählt und so gut beschrieben, wie es mir möglich war. Ich habe, so unvollständig es auch sein mag, meinen Kenntnissen gemäß deine wirkliche Größe verkündet.

5. Ich bitte dich, o frommer Vater: erinnere dich meiner und zugleich der anderen Mitbrüder deiner Familie; du, der du dich durch eine glückliche Fügung neben dem Thron Gottes in ewigem Leben befindest, befreie uns, die wir uns nach dir sehnen, mit deinen Bemühungen aus diesen erbärmlichen Untiefen, aus Schlamm und Morast.

6. Erinnere dich der tiefen Gutherzigkeit, die du so reichlich zu deinen Lebzeiten den Unglücklichen offenbartest, als du noch im Fleische, aber alles andere als nach dem Fleische lebtest. Du, der du mit der Quelle der Barmherzigkeit verbunden bist, schöpfe aus dem Strom der Glückseligkeit, gib uns Dürstenden einen Bach der Gnade. Amen.

 

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